Konzerte
Am Anfang steht oft ein Zufall – ein Funke, der von einem Musikstück auf ein anderes überspringt. Oder eine scheinbar ferne Assoziation, die sich mit der Musik verbindet. Das kann die Keimzelle zu einem der kommentierten Konzerte sein, wie ich sie seit vielen Jahren gebe: Der Versuch, ein Musikstück in Kontexte aus Literatur, Kulturgeschichte, Musiktheorie einzubetten, und so einen neuen Sinnraum zu schaffen. Es geht weniger um Erklärung von Musik, als darum, das musikalische Werk an einen Ort zu stellen, an dem man neu hören kann, wovon es spricht.

Ein Beispiel aus einem Programm mit dem Titel Die Anrufung des Anderen in der Musik:
„Schafe können sicher weiden, wo ein guter Hirte wacht“, heißt es in einer Arie von Bach. Schafe sind bekanntlich sehr pflegeintensive Tiere. Kein Wunder, dass ein guter Hirte gebraucht wird. Der Bachsche Hirte hält seine Schafe in Ordnung, die Stimmen werden prächtig geführt. Wo Dissonanzen entstehen, die Bach auch hier nicht im Geringsten scheut, werden sie schnell aufgelöst.
In Bachs Welt sind wir natürlich alle Schafe, die von einem großen, guten Hirten behütet werden. Daher die Zuversicht und Heilsgewissheit, die aus zahllosen Werken von Bach zu uns spricht. Es ist ein erstaunliches Phänomen, dass diese Kraft der Bachschen Musik erhalten bleibt, auch wo sie nicht mehr vom religiösen Text und Kontext getragen wird.

Klassische Musik gilt gemeinhin als etwas Schönes aus der Vergangenheit. Dabei spricht sie in der Gegenwart zu uns. Man darf sie also darauf hin befragen, was sie uns heute zu sagen hat.